Presseaussendung · 24.11.2011 Missbrauchsfälle: Land bekennt sich zu seiner Verantwortung
Bericht der Vorarlberger Opferschutzstelle

Veröffentlichung
Donnerstag, 24.11.2011, 14:50 Uhr
Themen
Soziales/Kinder/Missbrauch/Schmid
Redaktion
Thomas Mair

Bregenz (VLK) - Im Zuge der Diskussionen um Missbrauch und Gewalt in kirchlichen und staatlichen Institutionen wurde im letzten Jahr auf Initiative von Landesrätin Greti Schmid eine Opferschutzstelle beim Kinder- und Jugendanwalt eingerichtet. Dadurch wurde Betroffenen die Möglichkeit gegeben, ihre negativen Erlebnisse mitzuteilen und – unabhängig von einer möglichen Verjährung – Unterstützung in Form von Psychotherapie bzw. eine Entschädigungszahlung zu erhalten. Bis November 2011 haben sich 142 Personen beim Kinder- und Jugendanwalt gemeldet. Auf Empfehlung einer eigenen Opferschutzkommission wurden bisher 847.000 Euro Entschädigungen (ohne Therapiekosten) an 71 Betroffene ausbezahlt, teilte Landesrätin Schmid beim Pressegespräch am Donnerstag (24. November) mit.

   "Dass Jugendliche und Kinder seelische, physische und sexuelle Gewalt erleiden mussten, ist traurig und beschämend", sagte die Landesrätin. Geschehenes könne nicht ungeschehen gemacht werden. Umso wichtiger sei es, dass dieses sensible Thema lückenlos aufgearbeitet wird: "Ich kann an dieser Stelle nur um Verzeihung bitten, für das was Kinder und Jugendliche vor 1990 erleiden mussten." Mit der Einrichtung der Opferschutzstelle hat sich das Land Vorarlberg zu seiner Verantwortung bekannt. Darüber hinaus, betont die Landesrätin, "geht es uns aber vor allem auch darum, durch verstärkte Sensibilisierung, Bewusstseinsbildung und Prävention Gewalt und Missbrauch gegenüber Kindern und Jugendlichen - wo immer möglich - zu verhindern."

   Bisher haben sich 142 Personen an den Kinder- und Jugendanwalt gewandt. Die am meisten involvierte Einrichtungen betreffen das ehemalige Landesjugendheim Jagdberg (83 Fälle) und das ehemalige Kinderdorf Au-Rehmen (20 Fälle).

   Aufgaben der Opferschutzstelle sind die Protokollierung der Gespräche mit den Betroffenen und die Vorbereitung bzw. Teilnahme an den Sitzungen der Opferschutzkommission. Nicht zuletzt übernimmt sie die Auszahlung der Unterstützungszahlungen bzw. Verrechnung von Therapiekosten. "Betroffene wollen, dass die Täter ihre Schuld zugeben, Institutionen ihr Versagen eingestehen und Verantwortung übernehmen", berichtete Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch die Erfahrungen aus vielen Gesprächen mit Betroffenen: "Mindestens ebenso wichtig, war vielen Betroffenen die Botschaft, dass alles unternommen werden muss, damit so etwas nicht mehr passiert und dass kein anderer erleben muss, was sie erlebt haben." Die Opferschutzstelle wird ihre Arbeit auch 2012 weiterführen.

Aufgaben und Tätigkeit der Opferschutzkommission

   Die Opferschutzkommission, in der über die Empfehlungen von Entschädigungszahlungen entschieden wird, wurde im September 2010 eingerichtet. Mitglieder sind Ruth Rüdisser (Vorsitzende), der Gerichtspsychiater Professor Reinhard Haller sowie der frühere leitende Staatsanwalt Franz Pflanzner. Von Jänner bis August 2011 traf die Opferschutzkommission sechsmal zusammen, um über die herangetragenen Fälle zu beraten. Die Kommission bewertete anhand der Unterlagen den Sachverhalt. Zur Bewertung der Art, Dauer und des Umfanges der Misshandlungen zog die Kommission die Kriterien heran, die auch von der unabhängigen Opferschutzanwaltschaft bzw. in anderen Bundesländern verwendet werden. Diese Kriterien sehen finanzielle Entschädigungszahlungen bis zu einer Höhe von 25.000 Euro – in extremen Einzelfällen auch darüber hinaus – vor. Ihre Empfehlung über die Höhe der Unterstützungszahlungen wurde anschließend der Vorarlberger Landesregierung zur Kenntnis gebracht, welche in der jeweiligen Regierungssitzung dann beschlossen wurden.

   Die Schilderungen der Betroffenen, die von einem gewalttätigen System in der Heimerziehung berichteten waren erschütternd. "Die Züchtigungen wurden zum Teil als 'Erziehungsmittel' oder 'Strafen' eingesetzt, viel öfters aber willkürlich, sozusagen 'präventiv', zur Abschreckung, zur Disziplinierung, als kollektive Maßnahme oder manchmal scheint es auch um die Befriedigung von dem Anschein nach sadistischen Bedürfnissen und/oder Machtdemonstrationen gegangen zu sein", berichtete Ruth Rüdisser über die gemachten Erfahrungen.

Historische Aufarbeitung

   Das Land wird in Zusammenarbeit mit Tirol und der Universität Innsbruck die Geschichte der Heimerziehung zwischen 1945 und 1990 umfassend aufarbeiten. Bis 1980 sind Vorarlberger Kinder und Jugendliche auch in Tiroler Einrichtungen eingewiesen worden. Ein erster Zwischenbericht soll bis Mitte nächsten Jahres vorliegen.

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